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Titelbild der Max Weber Ausstellung

Max Weber als Student in Heidelberg

Studienbeginn, Vorlesungsbesuch und Burschenschaft „Allemannia“

Weber beginnt sein Jura-Studium in Heidelberg 1882. Da er nach badischem Recht als 18-Jähriger noch minderjährig ist, muss sein Vater zum Studienbeginn eine schriftliche Einverständniserklärung verfassen (UAH, StudA Weber, Max - 1882).

Wie viele Studenten seiner Zeit besucht Weber neben seinem eigentlichen Studienfach Jura auch Veranstaltungen in anderen Fächern: Unter anderem findet sich sein Name in den Vorlesungslisten des Nationalökonomen Karl Knies. In zahlreichen Briefen insbesondere an seine Mutter Helene äußert Weber Eindrücke und Einschätzungen über seine akademischen Lehrer.

„Ich hatte also am Dienstag voriger Woche zunächst Institutionen bei Bekker gehört, der – ich war in den folgenden Tagen bei ihm – ein feiner, sehr liebenswürdiger alter Junggeselle ist. Auch sein Kollege zu hören, ist stets eine Art von Vergnügen, er spricht deutlich und klar, macht einem die Sache allerdings etwas sehr leicht, streut zeitweise ganz hübsche und witzige praktische Bemerkungen dazwischen und wird, was auch wichtig ist, nie langweilig wie Professor Knies!“
Max Weber über den Juraprofessor Immanuel Bekker und den Nationalökonomieprofessor Carl Knies in einem Brief an seine Mutter Helene, 2. Mai 1882

Kuno Fischer, der jetzt mit seinen gewöhnlichen historischen und sonstigen Präliminarien fertig ist und sein eignes System zu entwickeln beginnt, nachdem er bewiesen, daß alle andren vor ihm eigentlich zur Sache nichts geleistet haben und Unsinn gemacht haben, hat wenigstens das Gute, daß alles, war er bis jetzt gesagt hat, absolut bestreitbar und grade so einleuchtend, wie das grade Gegenteil ist, dadurch zu Kritik einladet und einem den etwaigen Rest von Schlaf dadurch benimmt, was ja eine ganz gute Anwendung der Morgenstunde von 7-8 ist. Offen gesagt, fühle ich mich doch immer erfrischt, wenn ich von ihm auf den Fechtboden komme.“
Max Weber über den Philosophieprofessor Kuno Fischer in einem Brief an seine Mutter Helene, 22./23. Juni 1882

Zahlungsliste der Zuhörer des Herrn Geheim Raths Dr. Knies
UAH, Rep. 27/286

Daneben ist Max Weber überzeugtes und aktives Mitglied der Burschenschaft Allemannia – inklusive Fechtstunden und Kneipabende. Doch 1918 verlässt er den Ehemaligenverband mit der Begründung, es gebe eine „immer enger gezogene geistige Inzucht“ innerhalb der deutschen Burschenschaften.

Max Weber als Dozent und Privatgelehrter – Wirken

Webers Dozententätigkeit

Nach Webers Habilitation 1891 folgen zunächst Lehraufträge in Berlin und Freiburg bis er 1897 zum Nachfolger von Karl Knies in Heidelberg berufen wird. Für den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft stand er nur an dritter Stelle, doch sowohl Erst- als auch Zweitplatzierter sagten ab. Max Webers Lehrveranstaltungen in Heidelberg beschäftigen sich thematisch mit den grundlegenden Fragen der Nationalökonomie, der Agrarpolitik und der Arbeiterbewegung. Im Sommersemester 1898 bietet der Professor die Vorlesungen „Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie“ und „Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung“ an. Unter seinen Hörern taucht dabei unter anderem der Name seiner Frau Marianne (Nr. 23, rechts) auf, die während Webers Zeit als Professor die meisten seiner Vorlesungen besuchte. Darüber hinaus lassen sich Else von Richthofen (Nr. 24, rechts), Doktorandin und spätere Geliebte Webers, und Leo Wegener (Nr. 5), ein Nationalökonom und nationalistischer Wirtschaftsfunktionär der 1920er Jahre, finden.

Zahlungsliste der Zuhörer des Herrn Professor Dr. Weber
UAH Rep. 27/1409

Weber unterbricht seine Lehrtätigkeit aber bald aufgrund von nervöser Erschöpfung, zeitgenössisch Neurasthenie benannt. Nach mehreren Anträgen zur Freistellung zieht er sich zurück ins private Gelehrtendasein, bleibt aber der Universität verbunden – seine Villa wird zum akademischen Treffpunkt am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Eranos und die Gesprächskreise in der Villa Fallenstein

Der Eranos-Kreis war ein Kreis von Heidelberger Professoren, in dem vor allem über religionshistorische Fragen debattiert wurde. Im Gegensatz zum späteren generationenübergreifenden und eher zweckfreien Beisammensein im Weberhaus (Villa Fallenstein) war Eranos ordentlichen Professoren vorbehalten. Bei jedem Treffen hielt ein Professor einen Vortrag, über den danach diskutiert wird. Im hier liegenden „Kursbuch“ beschreibt jeder Teilnehmer seinen Vortrag und die Anwesenden unterschreiben. Frauen waren nicht zugelassen.

UAH KE 94
Foto: Robert Herbst, Heidelberg 1906/1911 - UAH BA Pos I 01511

Georg Jellinek

Auch der Staatsrechtler Georg Jellinek war Teil des Eranos-Kreises. Bekannt für seine Schrift „Allgemeine Staatslehre“, in der auch seine berühmte Staatsdefinition entfaltet. Im Eranos-Kreis hält er beispielsweise einen Vortrag zu den religiösen Wurzeln des Liberalismus.

Er beeinflusst Webers Denken zu juristischen Problemen und nimmt später mit seiner Frau Camilla Jellinek an den jours im Weberhaus teil.

Zusammenfassung des Vortrags über „Die religiösen und metaphysischen Grundlagen des Liberalismus“ von Georg Jellinek (Eranos-Kreis – 03.07.1904) UAH KE 94
Vortrag Georg Jellinek UAH KE 94
Ernst Troeltsch - Foto: Transocean Berlin, ca. 1921, UAH Pos I 3069

Ernst Troeltsch war protestantischer Professor für Systematische Theologie an der Heidelberger Universität (ab 1894). Er war Mitglied im Eranos-Kreis und gab wichtige Anregungen zu Webers religionssoziologischen Schriften, während Weber umgekehrt Troeltschs Arbeiten zur Religionsgeschichte beeinflusste. Beide verband eine enge Arbeitsgemeinschaft und sie publizierten beide im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, deren Chefredakteure Max Weber, Edgar Jaffé und Werner Sombart waren. Später nahm Troeltsch auch an den jours im Weberhaus teil.

UAH KE 94 – Vortrag von Troeltsch zu „Soziallehrer der alten Kirche“

Max Weber als „Mythos“ (?!) – Rezeption

Marianne Weber und die Erinnerung an ihren Mann

Marianne Weber, selbst politisch aktiv und bekannt in der bürgerlichen Frauenbewegung, veröffentlicht 1926 die Biografie ihres Mannes, welche maßgeblich zur Verbreitung seines Werkes beigetragen hat. Auch bietet sie Berichte über informelle Vorgänge, wie die sonntäglichen Treffen im Weberhaus, die anders nicht mehr so leicht zu rekonstruieren sind. Trotz der Neigung ihren Mann zum Heroen zu stilisieren, ist sie immer noch Quelle und Ausgangspunkt für moderne Weber-Biographen. Insbesondere zu den wöchentlichen Treffen in der Villa Fallenstein gibt es aufgrund deren informeller Natur sonst nur spärliche Zeugnisse. Die Treffen wurden auch nach dem Tod Webers 1920 weitergeführt – von manchen spöttisch als „Geistertee“ betitelt. Auch Karl Jaspers nahm an den „Geistertees“ im Hause Webers Teil und verbreitete Webers Ideen in seinem 1932 erschienenen Buch „Max Weber – Deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren“. Marianne Weber erhielt 1922 die Ehrendoktorwürde der juristischen Fakultät.

UAH Bibliothek, IX WE 3
UAH H-II-868/3

Deutscher Soziologentag

Vom 27. April bis zum 30. April 1964 fand in Heidelberg der 15. Deutsche Soziologentag statt. Zum 100. Geburtstag von Weber wählte man das Thema „Max Weber und die Soziologie heute“. National wie international wurde über das Treffen berichtet. Nicht zuletzt aufgrund so bekannter Exildeutscher wie Theodor Wiesengrund Adorno oder Herbert Marcuse, aber auch den amerikanischen Weberexperten Raymond Aron und Talcott Parsons, wurde die Tagung im Feuilleton der USA diskutiert. Talcott Parsons war maßgeblich von Weber beeinflusst, er studierte in den 1920er Jahren in Heidelberg unter Edgar Salin und übersetzte einige seiner Werke ins Englische. Seine Systemtheorie gilt als Klassiker der Soziologie. Er lehrte in Harvard.

Einladung und Programm des 15. Deutschen Soziologentages, UAH Rep. 120/3.

Wofür steht Max Weber heute?

Weber ist einer der Grundpfeiler der modernen Soziologie, insbesondere der deutschen Tradition. Und selbst wenn man nicht Sozialwissenschaften studiert, so ist sein Stichwort von der „Entzauberung der Welt“ eine zentrale Metapher für die Rationalisierungsprozesse der Moderne, die viele kennen. Sein vielschichtiges, eklektisches, interdisziplinäres und nicht zuletzt unvollendetes Werk liefert bis heute zahlreiche Impulse nicht nur in der Soziologie, auch in historischen Sozialwissenschaften, der Ökonomie, der Geschichte oder der Politologie. Grundbegriffe von Staat, Macht, Herrschaft oder soziale und soziale Beziehung liefern wichtige Anregungen. Seine Großthese von der Herausbildung des Kapitalismus durch eine protestantisch-calvinistische Ethik wird immer noch diskutiert und seine Gedanken zum Verhältnis von Wissenschaft, Objektivität und Politik sind immer noch aktuell. Doch nicht zu vergessen ist bei all dieser Größe, dass auch Weber ohne Impulse von seiner Frau, seinen akademischen Mitstreitern oder den Gesprächen, während der sonntäglichen jours in der Villa Fallenstein wohl kein Jahrhundertwerk verfasst hätte – und ohne die nachträgliche Popularisierung seines Werkes es wohl keiner gelesen hätte.